Annahmestopp für Neuanträge zur Umstellung auf Ökolandbau

Annahmestopp für Neuanträge zur Umstellung auf Ökolandbau

Brandenburger Regierung bricht Koalitionsvereinbarung und bremst Entwicklung des Berliner Biomarktes aus

Mit Schreiben vom 20.4.2011 informiert das MIL die Landwirtschaftsämter der Landkreise, dass Landwirte, die im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms (KULAP) auf Ökolandbau umstellen wollen, nicht mehr gefördert werden. Dies wird damit begründet, dass von der EU noch keine Übergangsregelung zur 2014 beginnenden neuen EU-Förderperiode verabschiedet wurde.

Für Sascha Philipp, praktizierenden Ökolandwirt und agrarpolitischen Sprecher des Ökologischen Landbaus in Brandenburg, ist diese Begründung absolut kontraproduktiv: „Die Nachfrage nach regional erzeugten Ökoprodukten ist ungebrochen groß, im ersten Quartal 2011 ist der Umsatz im Berliner Fachhandel sogar um 20 % gestiegen! Wird jetzt die Umstellung neuer Betriebe verhindert, bremst Brandenburg die weitere Entwicklung der regionalen Biobranche bewusst aus. Der eigentliche Skandal aber liegt darin, dass es sich bei dem angeführten Restrisiko für den Brandenburger Haushalt um keine Größenordnung handelt.“

Dies ärgert auch Michael Wimmer, Geschäftsführer der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg: „Die Brandenburger Landesregierung weiß doch genauso wie wir, dass es sich wegen der sehr guten Preise auf den konventionellen Märkten ohnehin nur um ganz wenige Betriebe handelt, die auf Bio umstellen wollen – Betriebe, die in dieser Situation umstellen wollen, tun das in der Regel, weil sie gezielt für den Berliner Biomarkt produzieren wollen – also gerade jene Betriebe, die wir mit viel Aufwand händeringend suchen.“

Argumente und Hintergründe:

1.) Geringes finanzielles Risiko für den Brandenburger Landeshaushalt
Den in der Region tätigen Anbauverbänden Bioland, Naturland, Biopark, Verbund Ökohöfe Nordost und Demeter sind nur wenige, meist kleinere Betriebe, mit einer Gesamt-Umstellungsfläche von ca. 500 ha bekannt. Bei optimistisch hochgerechneten 1.000 ha Umstellungsfläche ergibt sich folgende Rechnung: Für einen Förderzeitraum von 5 Jahren wären dies ca. 750.000 Euro (150 Euro/ha x 1.000 ha x 5 Jahre). In den ersten vier Jahren (2011 – 2014) kämen davon im Rahmen der bereits bestehenden n+2 Regelung noch 90% = 540.000 Euro aus Brüssel bzw. Berlin, Brandenburg müsste davon wie bisher nur 10% = 60.000 Euro aufbringen.

Das eigentliche Restrisiko für das Land besteht darin, dass 2015 die Grundfinanzierung aus Brüssel ausbleiben könnte und das Land dessen Anteil von 90 % = 135.000 Euro zusätzlich zum Eigenanteil von 10 % = 15.000 Euro übernehmen müsste. Auch die höhere Förderhöhe für die vom Markt händeringend gesuchten Gemüse- und Obstkulturen dürfte bei dieser Dimension kaum ins Gewicht fallen.

2.) Fragwürdiger Alleingang Brandenburgs
Alle Experten sind sich einig, dass dieser Fall unwahrscheinlich ist: Mit Ausnahme von Thüringen schätzen alle anderen Bundesländer – insbesondere Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern – dieses Risiko als sehr gering ein und sind daher ausdrücklich bereit, dieses Risiko aus Landesmitteln abzusichern.

3.) Auch mit Umstellungsförderung: Ökofläche in Brandenburg wird nicht steigen
Den wenigen Umstellungsbetrieben stehen gleichzeitig Ökoflächen gegenüber, die durch Betriebsaufgabe, Flächenabgänge durch BVVG-Verkäufe etc. aus der Ökoförderung herausfallen.

4.) Bruch des Koalitionsvertrages
Mit dem Aussetzen der Umstellungsförderung würde die Landesregierung ihre eigenen Festlegungen im Koalitionsvertrag Lügen strafen. In diesem wurde der Ausbau der Spitzenposition Brandenburgs in der ökologischen Landwirtschaft ausdrücklich als Ziel festgelegt.

Zitat:
„Die Landesregierung wird den Ausbau regionaler und lokaler Verarbeitungs- und Vermarktungsstandorte und –ketten mit dem Ziel fördern, dass der Bedarf an regionalen- und Bioprodukten in Berlin und Brandenburg in zunehmendem Maß aus Brandenburg gedeckt werden kann.“

„Die Koalition will den Brandenburger Spitzenplatz in der ökologischen Landwirtschaft ausbauen. Dazu wird die Verarbeitung ökologischer Produkte gezielt gefördert.“

5.) Brandenburger Landesregierung fehlt eine klare Strategie
Die aktuelle Entscheidung ist einmal mehr ein Beleg dafür, dass die Brandenburger Landesregierung entgegen den Festlegungen des Koalitionsvertrages keine Strategie hat, um die offensichtlichen Chancen gerade des Berliner Biomarktes für mehr Produkte aus Brandenburger Erzeugung zu nutzen.

Biomarkt braucht Verlässlichkeit: Landwirte müssen ihre Anbauentscheidungen für die neue Saison bereits im Herbst treffen und im Falle der Umstellung auch diese Entscheidung bis dahin gefällt haben. Den Marktakteuren kommt nun einmal mehr das Vertrauen abhanden, dass man sich auf die Brandenburger Landesregierung in Sachen Bio verlassen kann.

6.) Gefahr für den Berliner Markt
Déjà-vu auf brandenburgisch: Schon einmal hat Brandenburg 2004 mit der gleichen Begründung die Umstellungsförderung ausgesetzt: Da in der gleichen Zeit die Nachfrage stark wuchs, kam es 2007/2008 zu einer ernsthaften Verknappung regionaler Bioprodukte, weil die verhinderten Umsteller in diesen Jahren schmerzlich fehlten. Die entstandene Versorgungslücke musste mit Importen aus dem Ausland geschlossen werden – Wertschöpfung und Arbeitsplätze sind zwangsläufig außerhalb Brandenburgs entstanden.

7.) Fatales Signal für die Biobranche
Die Biobranche ist eine Wachstumsbranche, von der Brandenburg angesichts des Berliner Marktes in besonderer Weise partizipieren könnte. Mit dem jetzt verkündeten Umstellungsstopp ignoriert die Landesregierung dieses Potential und verursacht mit dieser Entscheidung einen psychologischen Schaden, der weit über die konkret betroffenen Betriebe hinausgeht.

Da es sich aktuell besonders um Betriebe handelt, welche vorrangig jene die Lücken füllen, die wir in den vergangenen Jahren immer gemeinsam mit der Brandenburger Landesregierung beklagt haben (v.a. Obst, Gemüse), fordern wir die Landesregierung auf, dem Beispiel der anderen Bundesländer zu folgen, die Umstellung dieser Betriebe auf den ökologischen Landbau zu fördern und die Bio-Ampel wieder auf grün zu stellen!

Anlage: Steckbriefe betroffener Betriebe (Download, PDF 68 KB)
(s. auch die PM vom 19.01.11 Bio-Markt in Berlin-Brandenburg: Fakten und Trends: https://www.foel.de/presse/detailansicht/meldungen/bio-markt-in-berlin-brandenburg-fakten-und-trends-foel-2/)

Kontakt
Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau
Berlin-Brandenburg (FÖL) e.V.
Michael Wimmer – Geschäftsführer
Marienstraße 19-20
10117 Berlin
Tel.: 030 – 28 48 24 40
Fax: 030 – 28 48 24 48
E-Mail: info@foel.de
www.bio-berlin-brandenburg.de